Christian Schmidt im deutschen Bundestag.

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Valentin Inzko beim Begräbnis des in Banja Luka ermordeten David Dragičević in Wiener Neustadt.

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Der derzeitige Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina, der österreichische Diplomat Valentin Inzko, könnte im Frühling vom ehemaligen deutschen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) abgelöst werden, berichten bosnische Medien. Inzko ist seit 2009 Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina und hat zuletzt vermehrt die Verherrlichung von Kriegsverbrechern und die Leugnung von Kriegsverbrechen stark kritisiert. Seit Jahren schon wird Inzko vom Chef der radikal nationalistischen SNSD, Milorad Dodik attackiert, der den Staat Bosnien-Herzegowina zerstören will.

Inzko ist als Hoher Repräsentant für die Umsetzung des Friedensvertrags von Dayton aus dem Jahr 1995 zuständig. Die Bedingungen zur Auflösung des Amtes des Hohen Repräsentanten (OHR) wurden bislang nicht erfüllt. Dodik fordert seit langem trotzdem die Auflösung des OHR und wird dabei tatkräftig von Russland unterstützt.

Deutschland hat Interesse

Inzko bestätigt gegenüber dem STANDARD, dass Deutschland Interesse an dem Amt des Hohen Repräsentanten bekundet habe. Es seien aber noch einige Fragen offen. Denn seit einigen Jahren hat sich Russland geweigert, sämtliche Beschlüsse des Friedensimplementierungsrates (PIC), der für das OHR verantwortlich ist, mitzutragen. Weil Moskau für die Auflösung des OHR ist, war es bislang auch nicht vorstellbar, dass Russland einer Neubesetzung eines Hohen Repräsentanten zustimmen könnte. Russland sitzt neben anderen bedeutenden Staaten im Friedensimplementierungsrat.

Deshalb gibt es in bosnischen Medien Spekulationen, wonach es eine Vereinbarung zwischen Russland und Deutschland in der Frage der Neubesetzung des OHR geben könnte. Doch Beweise gibt es für diesen deutsch-russischen Deal nicht. Inzko verweist darauf, dass es jenseits von Personalfragen dringend notwendig wäre, den politischen Ansatz der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina zu ändern.

Nationalisten verhindern Entwicklung

Denn obwohl die Nationalisten jegliche Weiterentwicklung des Landes und sämtliche Reformvorhaben verhindert haben und obwohl der Rechtsstaat zu einem gefährlich großen Ausmaß von Parteiinteressen unterlaufen ist, gab es kein gesondertes Engagement in Bosnien-Herzegowina. Inzko wurde oftmals im Stich gelassen, obwohl extreme Nationalisten auch rote Linien überschritten. Nur die USA haben noch unter Barack Obama Sanktionen gegen Dodik erlassen. Zuletzt hatte man gehofft, dass der neue US-Präsident Joe Biden, der Bosnien-Herzegowina gut kennt, die Weiterentwicklung des Landes unterstützen könnte.

Sicher ist, dass Schmidt der konservativen HDZ in Kroatien nahe steht. Vor einem Jahr bekam er den Orden von von Ante Starčević vom kroatischen Premier Andrej Plenković verliehen. Während Plenković selbst kein Nationalist ist, sondern ein moderater europäisch gesonnener Konservativer, ist die Schwesternpartei HDZ im Nachbarland Bosnien-Herezegowina radikal-nationalistisch. Ihr dortiger Chef Dragan Čović ist nicht nur mit Dodik verbündet, sondern wird ebenfalls von Russland unterstützt.

Besuch von Lavrov flankiert von Skandalen

Als kürzlich der russische Außenminister Bosnien-Herzegowina besuchte, traf er nur Čović und Dodik. Dodik ist einer der drei Mitglieder im Staatspräsidium, die beiden anderen Vertreter, Šefik Džaferović und Željko Komšić verweigerten eine Zusammenkunft, weil Lavrov die radikalen Nationalisten und damit indirekt auch ihre politischen Ziele unterstützt. Dodik will die Abspaltung des Landesteils Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina, Čović will einen dritten "kroatischen" Landesteil nach sogenannten ethnisch-religiösen Kriterien. Beides würde das Ende von Bosnien-Herzegowina bedeuten und widerspricht allen internationalen Vereinbarungen.

Für einen veritablen Skandal hat zuletzt gesorgt, dass Dodik Lavrov anlässlich dessen Besuchs in Bosnien-Herzegowina, eine dreihundert Jahre alte Ikone aus der Ukraine schenkte. Die ukrainische Botschaft versandte eine diplomatische Note an das bosnische Außenministerium, weil unklar war, wie Dodik überhaupt in den Besitz der Ikone kam. In der Ukraine wird vermutet, dass die Ikone zum kulturellen Erbe der Ukraine gehört und es gilt als Skandal, dass gerade dieses Kunstwerk nun über Dodik in russische Hände geriet.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Die bosnische Staatsanwaltschaft ermittelt und Russland hat mittlerweile die wertvolle Ikone zurück nach Bosnien-Herzegowina gesandt, bis die Herkunft und der Besitz vollends geklärt sind. Dodik verweigerte sich tagelang zu dem Skandal Stellung zu beziehen. (Adelheid Wölfl, 25.12.2020)