Bild nicht mehr verfügbar.

Noch während der deutschen Ratspräsidentschaft soll die Terrorverordnung im Netz – bis Dezember – durchgewunken werden. Die geplante Verordnung schreibt strenge Löschpflichten für Inhalte, die von EU-Behörden als terroristisch eingestuft werden, vor.

Foto: reuters

Seit Monaten verhandeln EU-Parlament, Kommission und Rat über ein umstrittenes Gesetz, das die Verbreitung terroristischer Inhalte im Netz eindämmen soll. Bei einem Treffen am Dienstag kündigten Emmanuel Macron, Angela Merkel und Sebastian Kurz an, dass die Verordnung bereits im Dezember verabschiedet werden soll.

Onlineplattformen sollen künftig dazu verpflichtet werden, Terrorinhalte im Netz innerhalb von einer Stunde nach Aufforderung durch eine Behörde zu entfernen. Geht es nach der deutschen Regierung, die aktuell die Ratspräsidentschaft innehat, dürften auch "technische Mittel" infrage kommen, um derartige nutzergenerierte Beiträge aufzuspüren und sie zu löschen. Der Ministerrat forderte zuvor explizit proaktive Maßnahmen, entfernte diese Bezeichnung später – aber schloss sie nicht komplett aus.

Das stößt allerdings in den Triloggesprächen auf viel Widerstand im EU-Parlament, das dadurch einen Zwang zu Uploadfiltern befürchtet, wenn eine Behörde das sonstige Vorgehen eines Unternehmens als unzureichend bewertet. Dabei handelt es sich um automatisierte Filtermechanismen, die Inhalte erkennen und noch vor ihrer Veröffentlichung sperren. Bereits bei der Urheberrechtsreform 2019 wurden solche nicht explizit ausgeschlossen. Hier befürchten Kritiker wie der deutsche EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten), dass beispielsweise journalistische Inhalte oder Satire auf diese Weise blockiert werden könnten.

Auch Löschanordnungen von anderen EU-Staaten

Als terroristische Inhalte gelten sollen schwere Straftaten, die mit terroristischem Ziel begangen werden – sowie Beiträge von Vereinigungen, die in der EU-Terroristenliste geführt werden. Alle Plattformen, nicht nur jene von Unternehmen, also etwa auch Non Profits, sind eingebunden.

Umstritten ist zudem, dass dem Entwurf zufolge Löschbehörden aus dem EU-Ausland ein Unternehmen dazu verpflichten könnten, ein Posting zu entfernen. Folgen sie dieser Aufforderung nicht oder nicht rechtzeitig, sind hohe Strafen vorgesehen. Die grüne Fraktion im EU-Parlament verweist darauf, dass demnach auch Unionsmitglieder mit rechtsstaatlichen Problemen wie Ungarn derartige Löschungen verlangen können – denn die Behörden müssten laut dem Entwurf nicht unabhängig von der Politik agieren. Zusätzlich ist die Einstufung von Terror von Land zu Land unterschiedlich – was in einem Land legal ist, ist das in einem anderen womöglich nicht. In der Vergangenheit wurden in Ungarn etwa Umweltaktivisten von der Regierung als "Ökoterroristen" bezeichnet.

24 Stunden Zeit für Einspruch

Aktuell sind sich die Minister, die Kommission und das Parlament uneinig: Die deutsche Ratspräsidentschaft will die Bedenken der Abgeordneten mit einem Kompromissvorschlag ausräumen, der eine verpflichtende Löschanordnung an eine zuständige Behörde vorsieht, in der die betroffene Onlineplattform ihren Sitz hat. Diese hätte 24 Stunden Zeit, um ihn gegebenenfalls abzulehnen. Das EU-Parlament fordert noch weitere Ausnahmen, etwa für journalistische Inhalte oder für kleinere Unternehmen, die sich eine Infrastruktur, die eine rasche Löschung ermöglichen würde, nicht leisten können. Die Verhandlungen sollen noch heuer abgeschlossen werden. (Muzayen Al-Youssef, 11.11.2020)