Von Fahrverboten sind Euro-5-Diesel ausgenommen, obwohl sie die Grenzwerte um ein Vielfaches überschreiten.

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Die im Regierungsprogramm angekündigte und von Fahrzeughandel und -industrie erhoffte "stärkere Bevorteilung von Fahrzeugen der modernsten Fahrzeuggeneration der Abgasnorm Euro 6d" kann nur eine von mehreren Maßnahmen zur Luftverbesserung und Eindämmung der Schadstoffemissionen sein. Diesen Schluss legen Tests der Realemissionen von Dieselfahrzeugen nahe, die an Pkws vorgenommen wurden, denen im Zuge des Dieselskandals ein sogenanntes Softwareupdate aufgespielt wurde.

Die vorgebliche Verbesserung scheint im Straßenbetrieb weitgehend wirkungslos, zumindest bei betroffenen Fahrzeugen der Abgasklasse Euro 5 von Volkswagen. Denn diesen wurde von der deutschen Typgenehmigungsbehörde Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bei der Genehmigung ein sogenanntes Thermofenster zugestanden, also eine Temperaturspanne zwischen 15 und 33 Grad, in der die Abgasrückführung und -reinigung ganz offiziell ausgeschaltet wird – zum Schutz des Motors, wie es heißt.

Das Drei- bis Fünffache

Von einem Gerichtssachverständigen des Instituts für Fahrzeugantriebe der TU Wien im Zuge eines Dieselprozesses Anfang November 2019 durchgeführte Realmessungen an einem VW Tiguan 4 Motion führten zu bemerkenswerten Ergebnissen: Obwohl das Softwareupdate bereits aufgespielt war, strömten bei einer Umgebungstemperatur zwischen 12,0 und 13,4 Grad Celsius nicht die erlaubten maximal 180 Milligramm NOx pro Kilometer aus dem Auspuff, sondern 316,7 mg/km.

Bei spätherbstlichen 4,7 Grad Umgebungstemperatur (der Mittelwert von fünf Messpunkten) schnellte der Stickoxidgehalt dramatisch in die Höhe: 1077,2 Gramm notierten die TU-Ingenieure, fast das Sechsfache des erlaubten Grenzwertes.

Ähnlich hohe Ausschläge zeigten laut Spiegel auch Messungen beim Volvo-Modell XC60 (Euro 5) des abgastechnisch bis dato mit blütenweißer Weste fahrenden schwedisch-chinesischen Autobauers.

Abnorm hohe Emissionen

Abgasmessungen der Deutschen Umwelthilfe an Diesel-Pkws diverser Schadstoffklassen kamen zu ähnlich alarmierenden Ergebnissen: Auf Basis gemittelter Temperatur- und Straßenkategorien sind allein in Österreich rund 900.000 zugelassene Euro-5-Diesel mit ihren abnorm hohen Abgaswerten klar die Emissionskaiser, gefolgt von Euro 3 und Euro 4. Mit dem Fünffachen des erlaubten Grenzwerts von nunmehr 80 mg/km fährt allerdings auch die erste Euro-6-Generation in die Verbotszone (siehe Grafik).

Die vorgeschriebenen NOx-Grenzwerte von 80 mg/km schafft erst die jüngste Generation Euro 6d-temp mit praktikablen Tanks und praktikablen Einfüllstutzen für die Harnstofflösung (Ad-Blue).

Nur zwischen 15 und 33 Grad

Ob dieses zunehmend in Verruf geratene Thermofenster, eine bis dato legale Abschalteinrichtung unter 15 und jenseits der 33 Grad Celsius, nun tatsächlich zulässig ist, darüber befindet der Europäische Gerichtshof. Am kommenden Donnerstag soll Generalanwältin Eleanor Sharpston ihren (bereits vor zwei Wochen erwarteten) Schlussantrag zur temperaturabhängigen Effektivität der Abgasreinigung vorlegen. Ausgangspunkt ist der Fall eines französischen VW-Besitzers, den das Höchstgericht in Paris dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat: Ist eine Abschalteinrichtung, die die Emissionskontrolle verringert, grundsätzlich verboten?

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Die neueste Dieseltechnologie hält nicht nur abgastechnisch, was sie verspricht.
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Die Autoindustrie sagt Nein, zum Schutz des Motors (vor Versottung der Ventile etc.) seien Abschaltungen der Abgasreinigung außerhalb bestimmter Temperaturfenster geboten. Und überhaupt gelte die EU-Verordnung 715/2007 nicht im Realbetrieb, sondern für die Rollenprüfstandstests.

Zum Vergleich: Die Temperatur beträgt in Deutschland im Jahresmittel zehn Grad – das wäre also jener Wert, der als "normaler Gebrauch" zu werten ist.

Abhilfe Hardware-Nachrüstung

Volkswagen stellt in hunderten Einzelverfahren wie in den Sammelklagen darüber hinaus in Abrede, eine illegale Abschalteinrichtung verbaut zu haben, obwohl in den USA eingestanden wurde, dass der Bordcomputer erkannte, ob der Motor auf der Straße oder dem Prüfstand lief.

Für die Autobauer steht also viel auf dem Spiel. Gut möglich, dass sie mehr als die Hälfte der 2,7 Millionen Diesel-Pkws in Österreich mit Abgasreinigungshardware nachrüsten müssen. (Luise Ungerboeck. 10.2.2020)