Die 40-Stunden-Woche hat für viele ausgedient. Die heimische Arbeitsbevölkerung will laut Arbeiterkammer-Umfrage maximal 36 Stunden pro Woche arbeiten – tatsächlich sind es durchschnittlich 38,2 Stunden. Auch deshalb forderte die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner die Viertagewoche als Rechtsanspruch.

Besonders die Jungen wollen weniger arbeiten – vor allem örtlich und zeitlich flexibel –, zeigen verschiedene Umfragen. Das bringt auch immer mehr Firmen dazu, neue Arbeitszeitmodelle zu schaffen. Wer weniger arbeitet, ist auch zufriedener, zeigen Erhebungen. Die Jobzufriedenheit ist bei jenen Millennials am höchsten, die maximal 20 Wochenstunden arbeiten. Am unzufriedensten sind jene, die mehr als 20 Überstunden im Monat leisten müssen.

Nicht nur viel Freizeit, sondern auch selbstgewählter Urlaub ist gewünscht. Unbegrenzt viele Urlaubstage ohne die Erlaubnis der Chefin gefiele 80 Prozent der Arbeitsbevölkerung, erhob die Jobplattform Karriere.at. Interessanter Nebeneffekt: Firmen, die es probiert haben, berichten, dass kaum jemand überhaupt noch Urlaub nimmt.

Einzelne Branchen haben hierzulande eine Freizeitoption im Kollektivvertrag ermöglicht: Statt einer Ist-Lohn-Erhöhung wird zusätzliche Freizeit gewährt.
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In Österreich ist arbeitsrechtlich schon einiges an Flexibilität möglich. Einzelne Branchen haben beispielsweise eine Freizeitoption im Kollektivvertrag ermöglicht: Statt einer Ist-Lohn-Erhöhung wird zusätzliche Freizeit gewährt. Je höher der Lohnabschluss, desto mehr Freizeit kann gewählt werden. Eine Erhöhung um knapp zwei Prozent kann etwa gegen rund eine Woche mehr Freizeit getauscht werden.

Vorreiter war 2013 die Elektro- und Elektronikindustrie, etwa sechs Prozent der dort Beschäftigten wählen aktuell mehr Zeit statt mehr Geld. Ähnliches ist auch in der Süßwaren- und Futtermittelindustrie, den Molkereien und bei den Metallern möglich.

Von insgesamt 3,7 Millionen unselbstständig Beschäftigten in Österreich sind aber nur rund 400.000 in Branchen mit Freizeitoption beschäftigt. Der Grund sind meist komplexe Verhandlungen auf Betriebsebene. Derzeit verhandelt die Gesundheits- und Sozialbranche die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und personeller Aufstockung.

Abseits der KV-Ebene werben manche Firmen Personal mit einer sechsten Urlaubswoche.

Auch die Forschung sagt: Etwas fauler zu sein macht glücklicher, gesünder und auch produktiver.
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Sechs Stunden pro Tag: Das ist laut Experten die ideale Arbeitszeit. Sie gehen davon aus, dass der Mensch sich nicht länger am Stück konzentrieren kann. Eine Verkürzung der Arbeitszeit hat zudem viele positive Effekte. Wie erste Tests in Firmen zeigen, macht sie produktiver und zufriedener. Auch die Work-Life-Balance verbessert sich.

Sogar das Klima könnte profitieren. Denn selbst simple Büroarbeit ist klimaschädlich, man denke an das Kühlen und Heizen der Gebäude und an die energiefressenden Computer. Außerdem pendeln viele Menschen zur Arbeit und machen Geschäftsreisen. Philipp Frey vom Karlsruher Institut für Technologie berechnete, wie viel an Treibhausgasemissionen eine Arbeitsstunde zur Folge hat. Das Ergebnis: Die 40-Stunden-Woche ist alles andere als nachhaltig – ideal wäre eine neunstündige Arbeitswoche.

Kritische Stimmen merken an, dass durch eine Arbeitszeitverkürzung letztlich nur gleich viel in weniger Zeit gearbeitet werde. Dabei gehe einiges verloren, was Arbeit auch ausmache – Pausen etwa, aber auch das Gespräch mit Kollegen. Der Arbeitsplatz sei schließlich auch ein sozialer Ort.

Es soll weniger, kürzer oder kompakter sein. Vier Tage arbeiten, drei Tage frei galt etwa für 2300 Angestellte von Microsoft Japan im August 2018. Das Ergebnis war frappant: Die Leistung steigerte sich um fast 40 Prozent.
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Fünfstundentag, Viertagewoche: Mit verkürzter Arbeitszeit wird weltweit experimentiert

Vor zwei Jahren führte die Kommunikationsagentur Digital Enabler in Bielefeld den Fünfstundentag ein. Täglich wird nur noch von acht bis 13 Uhr gearbeitet. Möglich sei das, weil "Zeitfresser" wie der Kaffeeplausch vermieden würden, sagt Agenturchef Lasse Rheingans. Seine Mitarbeiter seien nun besser in der Lage, ihr Privatleben zu organisieren. Ein Fünfstundentag bedeute aber auch mehr Stress tagsüber.

Vier Tage arbeiten, drei Tage frei. Das galt für 2.300 Angestellte von Microsoft Japan im August 2018. Der Konzern wollte testen, wie sich die Arbeitszeit auf die Produktivität der Mitarbeiter auswirkt. Das Resultat: Die Leistung steigerte sich um fast 40 Prozent – gemessen am Umsatz pro Kopf, verglichen zum Vorjahr. Ebenso reduzierte sich der Energieverbrauch um rund 23 Prozent und die Mitarbeiter druckten halb so viele Seiten aus.

Bei einer Fondsgesellschaft in Neuseeland arbeiteten die Mitarbeiter versuchsweise 30 statt 37,5 Stunden. Begleitet wurde das Experiment von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zweier Universitäten in Auckland. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass das Stresslevel der Mitarbeiter sank, die Work-Life-Balance verbessert wurde und gleichzeitig die Produktivität des Unternehmens um 20 Prozent stieg.

Weniger ist mehr, dachte sich auch die österreichische Onlinemarketing-Agentur eMagnetix. Seit Oktober 2018 arbeiten die Mitarbeiter dort 30 Stunden, bei gleichbleibendem Gehalt. Laut eigenen Angaben war es die erste Firma in Österreich und Europa. Die Auswirkungen: fokussiertere Besprechungen, bis zu zweieinhalb Stunden mehr Freizeit und mehr Bewerber. Pro Stelle bewerben sich nun hundert Mitarbeiter, heißt es.

In einem Pflegeheim im schwedischen Göteborg wurden 2015 die täglichen Arbeitsstunden testweise auf sechs reduziert. Das Projekt musste zwar vorzeitig gestoppt werden – durch die reduzierte Arbeitszeit mussten zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden, was zu teuer war –, der stellvertretende Bürgermeister berichtete jedoch, dass sich die Bewohner besser betreut fühlten und die Pflegenden gesünder und glücklicher. (Karin Bauer, Lisa Breit, Grudrun Ostermann, Selina Thaler, 2.1.2020)