Der "OK Boomer"-Artikel in der englischsprachigen Wikipedia wurde per Browser schon über 820.000-mal aufgerufen und dient darüber hinaus Suchmaschinen und Sprachassistenten als Informationsquelle.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Das Internet hat mittlerweile profunde Auswirkungen auf unseren Sprachgebrauch. Immer wieder schaffen es Begriffe aus der Netzkultur in unseren Wortschatz, und gleichzeitig funktioniert das World Wide Web auch als Katalysator für andernorts entstandene Begriffsschöpfungen. Eine davon ist "OK Boomer".

Entstanden sein soll sie auf der Plattform Tiktok als Reaktion auf einen grauhaarigen Mann, der sich über die "Millennials" und die "Generation Z" beschwert hat. Globale Verbreitung fand sie schließlich dank der jungen neuseeländischen Politikerin Chloe Swarbrick, die sich damit gegen einen älteren Abgeordneten wehrte, der ihre Ausführungen zum Klimawandel mit Zwischenrufen unterbrochen hatte. Das lernt man unter anderem auf der englischsprachigen Wikipedia-Seite, die sich mit "OK Boomer" beschäftigt. Hinter vielen Seiten der kollaborativ betriebenen Enzyklopädie toben erbitterte Auseinandersetzungen über Begriffe, Deutungen und Beschreibungen. Auch dieser Eintrag bietet auf den ersten Blick viel Konfliktpotenzial. "Slate" hat einen Blick hinter die Kulissen geworfen.

820.000 Aufrufe

Angelegt wurde der "OK Boomer"-Eintrag, der auch für Google und viele Sprachassistenten zur Erklärungsquelle geworden ist, von einem Nutzer namens Linguaddict am 4. November. Nach eigenen Angaben handelt es sich bei diesem User um den 15-jährigen Wiener Michael Frank, der eine Anlaufstelle für die Erklärung des Phänomens schaffen wollte.

Zwei höherrangige Mitglieder sprachen sich zuerst gegen einen eigenen Artikel für das Phänomen aus, da sie der Ansicht waren, der Spruch sei nicht relevant genug. Andere wiederum befürworteten ihn, und so wurde der Eintrag am 6. November für alle zugänglich. Frank hat seitdem weit über 100 Änderungen vorgenommen und ist damit der aktivste Beitragende bei dem Artikel, der bis heute über 820.000 Browseraufrufe zählt.

Eine "OK Boomer"-Compilation von Tiktok.
Entertained

Wie altersfeindlich ist "OK Boomer"?

Gestritten wird unter den Nutzern vor allem über die Einordnung von "OK Boomer" in puncto "Ageism", also "Altersfeindlichkeit". Nach zahlreichen Debatten und Änderungen steht in der Einleitung nun, dass der Spruch "von manchen als ageistisch angesehen" wird. Strenggenommen könnte er damit Wikipedia-Richtlinien, die undeutliche Zuordnungen dieser Art eigentlich vermeiden sollen, brechen.

Ob es vor allem Nutzer sind, die in die mit dem Spruch gemeinte Altersgruppe fallen, die möglichst oft den Verweis auf Altersfeindlichkeit einbringen wollen, lässt sich nicht sagen. Denn viele Wikipedianer wollten sich nicht zu ihrem Mitwirken an dem Eintrag äußern. Und jene, die sich dazu bereiterklärten, waren nach eigener Aussage oft Teenager und junge Erwachsene.

Insgesamt wird aber sehr sauber an dem Artikel gearbeitet. So achten viele Beitragende darauf, dass wichtige Definitionen nicht durcheinandergebracht werden. Denn oft verwechselt werden etwa die "Millennials", die heute in ihren 20ern und 30ern sind, und die "Generation Z", heutige Jugendliche und junge Erwachsene.

Wenig Feindseligkeit

Er selbst habe "beträchtlichen Respekt" vor älteren Menschen, erklärt Frank. Seine eigenen Eltern seien zudem stolz darauf, dass ihr Sohn zum öffentlichen Wissen auf der Wikipedia beitrage. Frank wie auch ein sehr aktiver Nutzer aus Neuseeland erklären, dass trotz des potenziellen Generationenkonflikts die Auseinandersetzungen zwischen den Wikipedia-Redakteuren nicht "übermäßig feindselig" seien. Der Artikel bildet die sehr unterschiedlich ausfallenden öffentlichen Reaktionen auf "OK Boomer" ab. Und wie viele Kompromisslösungen ist kein Beitragender mit dem Gesamtwerk hundertprozentig zufrieden.

Der sehr neutral gehaltene Eintrag zeigt, wie gut das System der Wikipedia meist funktioniert. Die Autoren versuchen, sich dem Thema sachlich zu nähern, und dokumentieren auch eigene Konflikte. Die oft als lese- und schreibfaul geschasste "Generation Z" zeigt hier zudem, dass die Vorurteile gegen sie kaum mehr als ein Klischee sind – wie auch schon der Sprachforscher Manfred Glauninger kürzlich gegenüber dem STANDARD erklärt hat. (gpi, 17.12.2019)