Der SPD-Steuerexperte Lothar Binding erklärt die ungleiche Verteilung von Vermögen in Deutschland.

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Berlin – Beim Bundesparteitag der SPD am Wochenende sind die deutschen Sozialdemokraten wieder ein Stück weit zu ihren Kernforderungen und ein Stück weit nach links gerückt. Am Samstag beschloss die Partei, sich von Hartz IV verabschieden zu wollen, am Sonntag verkündete sie, die Vermögensteuer ab einem Nettovermögen von zwei Millionen Euro wieder einführen zu wollen. Der Bundesparteitag hat in Berlin am Sonntag beschlossen, dass der Steuersatz ein Prozent betragen und für sogenannte Superreiche auf 1,5 und zwei Prozent steigen solle.

Dabei sollen Freibeträge von zwei Millionen Euro für Alleinstehende und vier Millionen Euro für Verheiratete sicherstellen, dass die Steuerbelastung auf "besonders reiche Teile der Bevölkerung konzentriert" werde. SPD-Steuerexperte Lothar Binding sagte, für ein verheiratetes Paar mit einem Nettovermögen von 4,2 Millionen Euro betrüge die Vermögensteuer 2.000 Euro im Jahr oder 166 Euro im Monat.

Frage der Bewertung von Vermögen

Die Vermögensteuer sei eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, heißt es in dem Beschluss. Die aus Sicht der SPD "starke Vermögenskonzentration" gefährde den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Dynamik.

Die Vermögensteuer wird seit einem Verfassungsgerichtsurteil Mitte der 90er-Jahre nicht mehr erhoben. Die obersten Richter in Karlsruhe hatten seinerzeit nicht die Steuer selbst gerügt, sondern die unterschiedliche Bewertung von Vermögensgegenständen. Durch alte Verkehrswerte waren Immobilien gegenüber Kapitalvermögen wie Aktien stark begünstigt. Die Vermögensteuer hatte zuletzt umgerechnet rund 4,6 Milliarden Euro in die Kassen der Länder gespült. Das entspräche nach SPD-Berechnungen nach heutigen Zahlen einem Aufkommen von rund neun Milliarden Euro jährlich.

Gegen Schuldenbremse

Der neue SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans hat sich mit scharfen Worten gegen die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse gestellt. Es gehe hier um die Handlungsfähigkeit des Staates, sagte er auf dem SPD-Parteitag am Sonntag in Berlin. "Kein Unternehmen käme auf die Idee, seinen Maschinenpark verrotten zu lassen, nur um keinen Kredit aufzunehmen."

Natürlich gebe es "schlechte Schulden", sagte Walter-Borjans. Das gelte aber nicht für die Aufnahme von Krediten für Zukunftsinvestitionen. Es dürfe nicht sein, dass der Staat "in die neoliberale Pampa" getrieben werde, wo er "möglichst nicht handlungsfähig" sein solle, hob der frühere NRW-Finanzminister hervor.

Die Schuldenbremse des Grundgesetzes verbietet den Bundesländern bis auf besondere Ausnahmefälle neue Schulden. Für den Bund wird ein strukturelles Defizit von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt.Der SPD-Vorsitzende stellt ich damit auch gegen seinen Parteikollegen Olaf Scholz. Der deutsche Finanzminister steht zur Schuldenbremse und zum Prinzip der schwarzen Null.

Umfragewerte wieder gestiegen

Erstmals legte die SPD laut einer Umfrage am Wochenende ihres Parteitags in der Wählergunst zu. Im Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut Emnid wöchentlich für "Bild am Sonntag" erhebt, gewinnen die Sozialdemokraten laut Vorab-Bericht einen Punkt auf 16 Prozent.

Ihr Koalitionspartner verlangte von der neuen SPD-Führung eine definitive Klärung ihres Verhältnisses zur Großen Koalition. Laut CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer habe sie sich auf ihrem Parteitag nicht deutlich genug für die Fortsetzung der Koalition mit CDU/CSU ausgesprochen. Vom großen Koalitionspartner kamen gleich mehrere Absagen zu einigen SPD-Forderungen, die am Parteitag beschlossen worden waren, so zum Beispiel zur Forderung nach einer höheren Besteuerung von CO2. (APA, red, 8.12.2019)