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Dirigent Kirill Petrenko vereint in Salzburg Maß mit Pathos.

Foto: Reuters

Delikat? Die Neunte Beethoven? Delikat, mit welch zielstrebiger Leichtigkeit etwa die Holzbläser mit hellem Klang immer wieder das Dunkel vertreiben und die dem ständig drohenden Chaos innewohnende Energie nutzen für neue Aufbrüche in lichte Höhen. Delikat, wie das Scherzo – bei gebotener Schärfe und Kraft – als Spielmannszug mit klingendem Spiel anhebt zu marschieren, um von der Pauke mit knochentrockenen Schlägen immer wieder aufgemischt zu werden.

Das Trio im zweiten Satz von Beethovens Symphonie Nr. 9 d-Moll op. 125 in der Lesart von Kirill Petrenko als brandneuem Chefdirigenten am Pult der Berliner Philharmoniker: ein Perpetuum mobile, ein in allen Farben schillernder Kreisel, der doch ein Ziel anstrebt. Das Adagio, viel mehr als nur molto e cantabile, klingt, als wäre die Welt doch irgendwie in Ordnung, wenn auch kleine Rubati wie Sandkörner im Getriebe allzu simple Nur-Schönheit verhindern und damit das Abdriften der Zuhörer in gedankenloses Schwelgen.

Kirill Petrenko hat mit der Neunten Beethoven am 23. August in der Philharmonie in Berlin sein Amt als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker angetreten – und mit der gleichen Besetzung in Salzburg einen Triumph eingefahren.

Mit Lust am Überwältigtwerden

Das Finale! Ein Triumph zusammen mit dem energiegeladenen Rundfunkchor Berlin in der Einstudierung von Gijs Leenaars und den Vokalsolisten Marlis Petersen, Elisabeth Kulman, Benjamin Bruns und Kwangchul Youn. Chefdirigent Kirill Petrenko gestaltete die Klangmassen transparent, ließ menschliches Maß ahnen, ohne dem Zuhörer die Lust am Überwältigtwerden zu nehmen. Nicht oft können sich die Solisten im Übermaß der Freude ein Decrescendo erlauben. Unter Kirill Petrenko ist es ihnen möglich, die Soloparts nicht nur lauthals abzuliefern, sondern zu gestalten.

Wie selten, dass der Chor nicht nur in Regimentsstärke aufmarschiert (und so singt), sondern mit bündiger Homogenität und lebendigem Sound den Solisten ein mitgestaltender Partner ist. Nicht nur die Tenöre seien bedankt. Die schillernden Sopranhöhen "überm Sternenzelt" werden lange in der Erinnerung funkeln. Und zuvor: eine hochspannende Kurzbegegnung mit Alban Bergs Lulu-Suite. (klaba, 27.8.2019)