Foto: Solaris

Wer braucht Lesestoff für den Sommer? Was Science Fiction, Fantasy und Artverwandtes anbelangt, hat die Rundschau stets gerne geliefert – seit mittlerweile elf Jahren schon. Sie tut es auch weiter, allerdings mit verändertem Gesicht (weil dem alten im neuen Layout leider die Züge entglitten sind).

Eine ganz kurze Gebrauchsanweisung: Dieses Objekt ist gewissermaßen das Mutterschiff. Es bietet die Übersicht über die aktuell vorgestellten Titel mit Coverbildern und kurzen Anreißern, an deren Ende dann jeweils ein Link zum Volltext der Rezension führt. Spitze wäre es übrigens, wenn Postings nur unter das Mutterschiff gesetzt werden, weil sich die Diskussion sonst in Einzelthreads auflöst. Ist aber nur ein bescheidener Wunsch. – Genug der Nabelschau, auf zu den Büchern:

Fotos: Heyne, Solaris, Piper

China Miéville, Großmeister des Phantasmagorischen und Politischen, führt uns in "Die letzten Tage von Neu-Paris" in eine Stadt, in der die sogenannte S-Bombe hochgegangen ist. Seitdem haben surrealistische Kunstwerke Gestalt angenommen und liefern sich aberwitzige Straßenkämpfe mit Dämonen und den Nazi-Besatzern. ⇾ Mehr

Gleicher Schauplatz, ganz anderes Setting: In der Graphic Novel "Paris 2119" von Zep & Bertail hat die Beam-Technologie die herkömmlichen Transportmittel weitgehend abgelöst. Versierte SF-Fans ahnen allerdings, dass Teleportieren einen ganz gewaltigen Haken hat, der uns im "Raumschiff Enterprise" stets verschwiegen wurde. ⇾ Mehr

Dann doch lieber zu Fuß zu den Sternen gehen. Das in Adrian Tchaikovskys "Walking to Aldebaran" entdeckte Sternenportal würde das theoretisch sogar möglich machen. Aber auch in dieser twistreichen und überraschend düsteren Erzählung steckt ein Haken. ⇾ Mehr

Um das Leitmotiv vom schönen Schein über grausigem Untergrund zu vervollständigen, besuchen wir dann noch den Himmelhof oder schlicht "Die Siedlung". Krimi-Autor Su Turhan stellt uns darin eine schicke Smart-City der ganz nahen Zukunft vor, in der sich bald ein Todesfall an den anderen reiht. ⇾ Mehr

Fotos: Heyne, Angry Robot, Night Shade Books, Begedia

Stephen Baxter hat für den Band "Obelisk" Kurzgeschichten aus einem Zeitraum von fünf Jahren gesammelt, der Schwerpunkt liegt auf alternativen Welten. Und es sind einige ausgesucht schöne Stücke dabei, also nicht gleich dem Reflex "Bäh, Kurzgeschichten les' ich nicht" nachgeben! ⇾ Mehr

"The Outside" ist der beachtliche Debütroman von Ada Hoffmann: eine Space Opera mit Lovecraft'schen Elementen, deren Protagonistin von göttergleichen Künstlichen Intelligenzen auf eine gefährliche Mission geschickt wird. Auf dem Spiel steht um nichts weniger als die Realität selbst. ⇾ Mehr

Auf den längsten Roadtrip aller Zeiten nimmt uns Genre-Veteran Rudy Rucker mit. Die jugendlichen Protagonisten von "Million Mile Road Trip" brausen mit ihrem gepimpten Kombi durch ein vollkommen bizarres Paralleluniversum, in dem sich unter anderem paarungswillige UFOs und eine zweidimensionale Kuh mit Hang zur Spiritualität herumtreiben. Eine Lektüre, die nach dem Konsum bewusstseinserweiternder Substanzen schreit. ⇾ Mehr

Und noch einmal Kurzgeschichten, jawoll. Die in der Anthologie "Elvis hat das Gebäude verlassen" stammen alle von deutschen Autoren und haben die 1950er Jahre als Leitmotiv. Allerdings sind es die 50er in verstrahlter/mutierter/vercyberpunkter Form ... ⇾ Mehr

Fotos: Hodder & Stoughton, Luzifer-Verlag, Heyne

Die Welt steht vor dem Untergang, und ausnahmsweise ist eine Künstliche Intelligenz mal nicht schuld daran, sondern ganz im Gegenteil die einzige Hoffnung auf Rettung der Menschheit: Die Grundidee von M. G. Wheatons "Emily Eternal" ist reizvoll, die Umsetzung kann aber leider nicht überzeugen. ⇾ Mehr

Der neuaufgelegte Doppelband "Welt aus den Fugen / Gefahr in der Tiefe" von Jonathan Green führt uns in das Shared Universe von "Pax Britannia", einer Steampunkwelt voller Dandys und Dinosaurier, Maschinen und Mutanten. Eine Hommage an die Pulps der 30er und 40er Jahre, in der fast alles möglich scheint. ⇾ Mehr

Und dann wäre da noch "Alle diese Welten", der letzte Band von Dennis E. Taylors "Bobiversum"-Reihe, die tatsächlich nur eine Trilogie geworden ist. Da hätte er sich für den Abschluss ruhig ein bisschen mehr einfallen lassen können – aber nichtsdestotrotz werden wohl alle wissen wollen, was aus dem vervielfältigten Nerd Bob als selbsternanntem Hüter der Galaxis geworden ist. ⇾ Mehr

Schon vorgestellt, jetzt auch auf Deutsch erhältlich

Zum Schluss seien noch zwei empfehlenswerte Titel kurz gestreift, die hier schon anhand der Originalausgabe besprochen wurden – beginnend mit Seth Frieds "Der Metropolist". Das Metropolis, um das es hier geht, ist weder das Metropolis von Superman noch das von Fritz Lang, sondern eines aus einer Parallelwelt, in der sich die USA noch gewisse Züge eines Wohlfahrtsstaats bewahrt haben. Der nun allerdings ins Visier von Terroristen gerät.

Foto: Heyne

Den Tätern wird der Beamte Henry Thompson auf die Fährte gesetzt, der im Original ein "Municipalist", in der Übersetzung ein "Metropolist", vor allem aber ein Konformist ist. Darum stellt ihm der Autor auch den größtmöglichen Gegensatz als Partner zur Seite: OWEN könnte man als Lebemann bezeichnen, als selbstverliebten Paradiesvogel. Allerdings mit der kleinen Ergänzung, dass es sich um eine Künstliche Intelligenz handelt, die sich via Holographie jede beliebige Form geben kann. Was natürlich OWENs Möglichkeiten, Schabernack zu treiben, beträchtlich erhöht.

Seth Frieds Roman ist ein großes Vergnügen und hat mehr Substanz, als man angesichts der Klamauk-trächtigen Personenkonstellation vielleicht erwarten würde. Dass er schon so kurz nach dem Erscheinen der Originalausgabe ("The Municipalists") auch auf Deutsch veröffentlicht wird, ist eine freudige Überraschung.

Auf dem blutroten Planeten

Mit einem ganz anderen Gesellschaftsbild werden wir in "Mars Override", dem jüngsten Werk von Richard Morgan, konfrontiert, der in den 2000er Jahren mit seinen Romanen um den Detektiv Takeshi Kovacs blitzartig zum Starautor aufstieg. Schön, wenn ein Verlag einem Autor die Treue hält.

Foto: Heyne

Wie gehabt regieren bei Morgan Zynismus, Gewalt und Kriminalität, und das zieht sich bis in die höchsten gesellschaftlichen Kreise hinauf. Schauplatz ist diesmal der Mars, und die Hauptfigur heißt Hakan Veil, doch hat der Protagonist hohen Wiedererkennungswert: Denn einmal mehr handelt es sich um jemanden, der über überlegene körperliche und geistige Fähigkeiten verfügt und auch gewillt ist, diese kompromisslos einzusetzen. Details zur Handlung stehen in der Besprechung der Originalausgabe "Thin Air".

Kurzer häretischer Einschub: Meiner bescheidenen Meinung nach könnte Morgan seine Romane ruhig ein bisschen abschlanken. Und das hab ich mir nicht erst hier gedacht, sondern auch schon damals beim legendären Kovacs-Debüt "Das Unsterblichkeitsprogramm" ("Altered Carbon"). Aber wir wissen ja, wie gut dieses Buch und seine Nachfolger bei den Lesern angekommen sind. Morgan-Fans werden also auch bei "Mars Override" wieder voll auf ihre Kosten kommen. (Josefson, 13. 7. 2019)