Sigmund Freuds Couch, ausgestellt im Freud-Museum in London.

Foto: Sigmund Freud Privatstiftung

"Ob ein Psychotherapeut beziehungsweise die Methodik, die er verwendet, zu einem Patient passt, ist individuell unterschiedlich und auch abhängig von der Persönlichkeit", sagt Peter Stippl.

Foto: Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie

STANDARD: Woran erkennt man einen guten Psychotherapeuten?

Peter Stippl: Diese Frage lässt sich tatsächlich nicht allgemein beantworten, denn der wichtigste Wirkfaktor in der Psychotherapie ist die Passung. Das heißt, ob ein Psychotherapeut beziehungsweise die Methodik, die er verwendet, zu einem Patienten passt, ist individuell unterschiedlich und auch abhängig von der Persönlichkeit. Ausschlaggebend ist daher, dass der Patient bei dem Therapeuten ein gutes Gefühl hat – sprich: Vertrauen entsteht, er sich bei ihm wohlfühlt und merkt, dass er mit seinen Problemen ernst genommen wird. Wie der Therapeut ihm dieses Gefühl, diese Sicherheit vermittelt, ist mit Worten oft schwer beschreibbar.

STANDARD: Die Passung von Therapeut und Patient bewerten Sie also anhand des Gefühls.

Stippl: Richtig. Ich weiß, dass das ein sehr weiches Kriterium ist. Das macht es jedoch nicht weniger wertvoll. Denn egal, wie gut ein Therapeut ist, fühlt der Patient sich bei ihm – aus welchen Gründen auch immer – nicht wohl, ist er ihm vielleicht sogar unsympathisch, wird er sich nicht öffnen, und die Behandlung wird nicht funktionieren. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass der Patient sich in der Praxis wohlfühlt.

STANDARD: Umgekehrt: Woran merkt ein Patient, dass ein Therapeut nicht geeignet ist?

Stippl: In Österreich sind Psychotherapeuten beispielsweise dazu verpflichtet, ihren Patienten die Diagnose sowie den Behandlungsplan zu erklären und sich ihre Zustimmung abzuholen. Findet diese verpflichtende Aufklärung nicht statt, sollte man überlegen, den Therapeuten zu wechseln. Um den Erfolg einer Behandlung zu bewerten, ist es zudem sinnvoll, dass Therapeut und Patient sich gemeinsam überlegen, bis zu welchem Zeitpunkt sie was erreichen wollen. Ist ein Patient aufgrund sozialer Ängste beispielsweise nicht mehr arbeitsfähig, könnte ein Schritt sein, dass er es in den nächsten Monaten schafft, zuerst einmal in Teilzeit zurückzukehren. Gut sind auch regelmäßige Zwischenfazits, also dass Therapeut und Patient alle paar Sitzungen gemeinsam überprüfen, ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden.

STANDARD: Was ist, wenn die Wahrnehmungen hier auseinandergehen und der Patient beispielsweise das Gefühl hat voranzukommen, der Therapeut hingegen nicht?

Stippl: Das muss klar angesprochen werden. Dies kann unter Umständen auch bedeuten, dass die Therapie und die eingesetzten Übungen nicht ausreichen und um weitere Maßnahmen ergänzt werden müssen – oder aber die Ziele neu formuliert werden müssen.

STANDARD: Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Stippl: Bei einem meiner letzten Patienten kam während der fünften Sitzung etwa heraus, dass er Drogen nimmt, und zwar gefährliche wie Crystal Meth – also eine Substanz, von der wir wissen, dass sie hirnorganische Störungen hervorruft. Ihm habe ich dann klar gesagt, dass wir neben der Gesprächstherapie fachärztliche Unterstützung brauchen sowie einen Entzug. Als er das ablehnte, sagte ich ihm, dass wir die Therapie so nicht fortführen können.

STANDARD: Eine ehrliche Konfrontation ist in der Therapie also manchmal unerlässlich.

Stippl: Nicht nur das, sie hat auch einen therapeutischen Wert: Solche Auseinandersetzungen zeigen dem Patienten schließlich, dass der Therapeut ihm wirklich helfen will und es ihm nicht nur darum geht, eine möglichst hohe Zahl an Stunden abzurechnen. Auch eine Meinungsverschiedenheit positiv klären zu können ist eine hilfreiche Erfahrung – Ehrlichkeit und Transparenz sind daher die Grundpfeiler einer guten Therapie. (Stella Hombach, 26.6.2019)