CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sollte in sich gehen und die Meinungsfreiheit nicht infragen stellen, sagen viele in Berlin.

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Die #CDU braucht keine Youtuber, um zerstört zu werden, das tun die von selbst! Liebe Annegret, halte durch!!! Wenn du so weitermachst, dann schaffst du es, die CDU auf zehn Prozent zu bringen." Schön ist es nicht, was Annegret Kramp-Karrenbauer derzeit auf Twitter lesen muss, vielmehr tobt unter dem Hashtag Annegate ein ausgewachsener Shitstorm gegen die CDU-Vorsitzende, ihr wird vorgeworfen, für Zensur einzutreten.

Ausgelöst hat "AKK" den Wirbel mit ein paar Betrachtungen nach der EU-Wahl, bei der die CDU deutlich verloren hatte. Selbst gemachte Fehler räumte Kramp-Karrenbauer da zunächst ein, so habe sich die CDU zu wenig ums Klima gekümmert.

Aber die CDU-Chefin gab auch jenen 70 deutschen Youtubern Mitschuld an der Niederlage, die kurz vor der Wahl dazu aufgerufen hatten, nicht CDU oder SPD zu wählen. Sie hatten sich mit dem Youtuber Rezo und seiner Kritik an der CDU solidarisiert.

AKK spricht von "klarer Meinungsmache"

Sie frage sich, "was eigentlich in diesem Land los wäre, wenn eine Reihe von, sagen wir mal, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD!", so Kramp-Karrenbauer und kam zu dem Schluss: "Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen."

Für sie stelle sich da schon die Frage: "Was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich, und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich?" Darüber müsse man sich einmal "offensiv" unterhalten.

Es folgte ein Aufschrei, nicht nur im Netz. Kaum äußere sich ein Youtuber kritisch, "fabuliert Annegret Kramp-Karrenbauer über die Beschränkung der Meinungsfreiheit im Wahlkampf", sagt Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) und fügt hinzu: "Man kann nur hoffen, es ist Hilflosigkeit und nicht politische Überzeugung." Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) ätzt: "Jetzt haben wir jahrelang diskutiert, die Leute beteiligen sich zu wenig an der Politik. Jetzt, wo das etwas dynamischer läuft, sind alle gleich wieder erschrocken, zum Teil sogar hilflos."

Kramp-Karrenbauer fühlt sich falsch verstanden und wehrt sich via Twitter: "Es ist absurd, mir zu unterstellen, Meinungsäußerungen regulieren zu wollen. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in der Demokratie. Worüber wir aber sprechen müssen, sind Regeln, die im Wahlkampf gelten."

Entscheidung in der Fraktion

Unter Druck ist auch SPD-Partei- und -Fraktionschefin Andrea Nahles. Sie tritt nun die Flucht nach vorn an und will die eigentlich für den Herbst geplante Neuwahl des Fraktionsvorsitzes auf kommende Woche vorziehen.

Es gibt Gerüchte, wonach der ehemalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz gegen sie antreten will, andere Interessenten sind auch noch im Gespräch. "Ich halte es für besser, wenn man Klarheit schafft", begründet Nahles die Entscheidung. Diese kommt bei den Partei-Linken gut an. So erklärt die Abgeordnete Hilde Mattheis: "Ich glaube, dass wir mit ganz offenem Visier in diese Debatte gehen müssen, weil es uns nichts hilft, wenn wir jetzt Probleme oder Konflikte unter den Tisch kehren." (Birgit Baumann aus Berlin, 28.5.2019)