Nach wochenlangem Gezerre hat Italiens Regierungschef Giuseppe Conte ein Machtwort gesprochen und Armando Siri, Staatssekretär im Verkehrsministerium, zum Rücktritt aufgefordert. Nehme der Lega-Politiker nicht von sich aus den Hut, so drohte der formal parteiunabhängige Ministerpräsident, werde er bei der nächsten Regierungssitzung am Mittwoch einen entsprechenden Antrag stellen und darüber abstimmen lassen.

Dem Staatssekretär und Vertrautern von Lega-Chef, Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini wird von der Römer Staatsanwaltschaft Bestechlichkeit vorgeworfen: Er habe von einem Windenergieberater 30.000 Euro entgegengenommen; der Berater wiederum stehe in Geschäftsbeziehungen mit einem Windenergiepark-Betreiber in Sizilien, einem engen Vertrauten des Superpaten der Cosa Nostra, Messina Denaro.

Früher ein Herz und eine Seele, heute reden sie kaum noch miteinander: Italiens Vizeregierungschefs Luigi Di Maio und Matteo Salvini (auf einem Graffito in Mailand, v. li.).
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Die Entlassung des Staatssekretärs wäre die erste große Niederlage des rechten Hardliners Salvini, der die Regierungspolitik seit der Vereidigung des Populistenkabinetts vor elf Monaten beinahe nach Belieben dominiert hat. Salvini hatte sich für einen Verbleib seines Parteikollegen starkgemacht, zumal die Staatsanwälte bisher nicht beweisen konnten, dass die 30.000 Euro tatsächlich geflossen sind.

Der Regierungspartner der rechtsnationalen Lega, die populistische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), besteht bisher auf der Entfernung des Staatssekretärs aus dem Kabinett: Ein Regierungsmitglied, das im Verdacht steht, die Mafia begünstigt zu haben, sei untragbar. Die Grillini haben als größte Partei in der Regierung die klare Stimmenmehrheit im Parlament.

Verhärtete Fronten

Salvini kommentierte Siris drohenden Rauswurf mit den Worten, dass Conte ihm eine Erklärung schulde. Vertraute des Innenministers verrieten den Medien, dass ihr Chef außer sich sei vor Wut.

In Rom heißt es, dass das früher gute persönliche Verhältnis von Salvini zu Conte – aber auch zu Fünf-Sterne-Chef und Vizepremier Luigi Di Maio – inzwischen völlig zerrüttet sei. Zahlreiche Lega-Exponenten, darunter mehrere Minister, hoffen nichts sehnlicher, als dass Salvini dem Spuk mit den Grillini endlich ein Ende bereitet und die Regierung stürzen lässt. "Als gute Christen halten wir nach einer Ohrfeige gerne die zweite Wange hin – aber wir haben keine dritte", polemisierte Lega-Familienminister Lorenzo Fontana.

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Der formal parteiunabhängige Premier Giuseppe Conte (Bild) läutet für den mutmaßlich korrupten Staatssekretär Armando Siri den Countdown zur Entlassung ein.
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Tatsächlich vergeht seit Wochen kaum ein Tag ohne handfesten Streit zwischen den Koalitionspartnern – und der entlädt sich zum Teil in derben, vulgären Sprüchen. Di Maio empfahl seinem Gegenüber Salvini, "endlich die Eier zu haben" und Siri selbst zu feuern. Dieser antwortete, wer immer ihm auch drohe, solle "lieber das Maul halten. Das ist meine letzte Warnung!"

"Kommt es im Ministerrat zu einer Abstimmung, werden wir gegen Siris Absetzung stimmen. Danach machen wir weitere vier Jahre mit der Fünf Sterne-Bewegung weiter, denn wir haben noch viel Arbeit vor uns", sagte Salvini am Dienstag, Gast bei der von "Canale 5" gesendeten Polit-Show Matrix.

In Italiens Parlament und Ministerien zeigt sich dieser Tage immer mehr, dass Salvinis und Di Maios gemeinsame Ablehnung der althergebrachten Parteien und der "Eliten" noch lange kein Regierungsprogramm darstellt. Die rechte Lega und die teils grün angehauchten Sterne sind sich in praktisch allem uneinig: beim Bau des Bahn-Basistunnels zwischen Lyon und Turin (Lega dafür, Sterne dagegen), bei der Einheitssteuer (Salvini dafür, Conte dagegen), bei der regionalen Autonomie (Lega dafür, Sterne dagegen), beim Bau von Müllverbrennungsanlagen (Lega dafür, Sterne dagegen), beim Schuldenerlass für das verlotterte Rom (Lega dagegen, Sterne dafür) ... die Liste der Streitpunkte ließe sich beliebig verlängern.

Neuwahlen wahrscheinlich

Beobachter sind sich einig, dass zumindest bis zur Europawahl am 26. Mai weder Salvini noch Di Maio den Bruch herbeiführen werden: Ein Regierungssturz wäre für beide Seiten eine denkbar schlechte Wahlwerbung. Doch nach der Wahl könnte es sehr wohl zur großen Abrechnung zwischen den beiden Regierungspartnern kommen – besonders dann, wenn die Prognosen zutreffen sollten: Laut den jüngsten Umfragen wird die Lega so stark werden, dass sie auf die unbequemen Grillini verzichten und stattdessen einen Regierungspakt mit Silvio Berlusconis Forza Italia und den postfaschistischen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni schmieden könnte.

Berlusconi und Meloni haben unlängst signalisiert, dass sie für eine von Salvini angeführte Rechtsregierung durchaus zu haben wären. (Dominik Straub, 7.5.2019)