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Wien – Die Causa Alpine, jedenfalls jener Teil davon, in dem gegen 34 Verantwortliche und die spanische Konzernmutter FCC sowie die Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte ermittelt worden ist, ist eingestellt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat rund um die Pleite des Baukonzerns, der größten Insolvenz der zweiten Republik in diesem Strang u. a. wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung (so war Deloitte ins Spiel gekommen), Anleihebetrug und grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen ermittelt.

Am 15. Mai hat sie dieses Verfahren beendet. Die zunächst auch verdächtigen Banken waren, wie berichtet, schon seit einem Jahr aus dem Schneider. Sie hatten die Expansion des Konzerns mitfinanziert, zum Teil mit staatlich garantierten Krediten und dem Vertrieb von Anleihen des Baukonzerns. Zwischen 2010 und 2012 haben rund 8000 Anleger Anleihen der Alpine Holding gezeichnet, im Volumen von 290 Millionen Euro. Sie werden wohl dereinst leer ausgehen.

Drei Milliarden Schulden

Die Salzburger Alpine Bau war am 19. Juni 2013 unter einer Schuldenlast von rund drei Milliarden Euro kollabiert, ihr gefolgt ist dann die Muttergesellschaft Alpine Holding. Deren Eigentümerin ist die spanische FCC. Eine der Kernfragen in der Causa war, wann die Gesellschaft insolvent war – der von der WKStA eingesetzte Gutachter kam dabei zum Schluss, dass das erst am 18. Juni 2013 der Fall gewesen sei.

Laut der 90-seitigen Einstellungserklärung der WKStA, die dem STANDARD vorliegt, konnte den Verantwortlichen in der Alpine und der FCC "eine unrichtige Darstellung der Abschlüsse des Alpine-Konzerns nicht nachgewiesen werden". Dass Schulden nicht mehr bedient werden können, hätten die Manager nicht erkennen können – denn "die FCC sagte Liquidität zu, so diese vom Alpine-Konzern benötigt werden würde".

Nichts Schriftliches

Das sei zwar nicht schriftlich vereinbart, aber in diversen Sitzungen und Telefonaten kommuniziert worden. "Diese Zusage bestand auch noch 2013", heißt es in der Einstellungsbegründung – die Manager seien auch davon ausgegangen, dass weiterhin Geld zur "Vermeidung einer Zahlungsunfähigkeit" aus Spanien kommt, und sie durften das auch tun. Der Fortführung der Alpine stand bei der Erstellung der Jahresabschlüsse also nichts entgegen – sprich: keine Bilanzfälschung. Auch dem Wirtschftsprüfer sei da nichts vorzuwerfen.

Auch das "Window Dressing", das die Alpine-Gruppe betrieben hat, ist laut Staatsanwaltschaft nicht strafrechtlich relevant. Durch Maßnahmen wie Assetverkäufe, Sale- and Lease-Back-Konstruktionen oder, ab 2011, Verkäufen von Beteiligungen an die FCC mit "ungewöhnlich langen (2 Jahre) Zahlungszielen und Factoring mit der FCC sowie verspätete Bezahlung von Umsatzsteuern und Gehältern wurde ab 2008 "die Nettoverschuldung in den Konzernabschlüssen" gesenkt, zählt die WKStA die (notabene: eben nicht illegalen) Mittel zur Bilanzpolitur auf.

Kein Anleihenbetrug

All das habe den Bilanzierungsstandards nicht widersprochen. Und: Dass diese Maßnahmen und ihre Auswirkung auf die Nettoverschuldung in den Anhängen zum Konzernabschluss "nicht in ihrer Gesamtheit" erörtert wurden, sei den Geschäftsführern, gegen die ermittelt wurde, nicht vorwerfbar.

Beim Verdacht auf Anleihebetrug, der sich u.a. gegen Exchefs der Alpine und Aufsichtsratsmitglieder gerichtet hatte, sollen die Beschuldigten den Anleihezeichnern vorgetäuscht haben, sie könnten das aufgenommene Kapital wieder zurückzahlen. Dieser Verdacht hatte sich für die WKStA aus dem Insolvenzverfahren ergeben, zudem haben geschädigte Anleihegläubiger Anzeige erstattet.

Es ging um die drei Alpine-Anleihen, die 2010 (100 Mio. Euro), 2011 (90 Mio. Euro) und 2012 (100 Mio. Euro) begeben wurden. Die Ermittler kamen zur Ansicht, dass die finanzielle Lage der Alpine bei der Begebung damals nicht falsch dargestellt wurde. Vor allem sei auch auf das Risiko aus dem Großprojekt in Polen, wo Ende 2009 der Auftrag für den Bau der Autobahn A1 gekündigt worden war, im Prospekt erwähnt worden. Dasselbe gelte für die Tatsache, dass die Alpine-Holding die Anleihen begeben hatte, die wiederum von den Ausschüttungen ihrer Tochter abhängig war.

Mangelnde Bonität nicht bekannt gewesen

Laut Einstellungsbegründung war den Beschuldigten "die mangelnde Bonität des Alpine-Bau-Konzerns" aber gar nicht bekannt – also können sie auch niemanden getäuscht haben. Die Emissionsprospekte seien auch nicht falsch gewesen.

Dieser Strang der Alpine-Causa ist vorerst also einmal abgeschlossen, offen sind aber noch andere Ermittlungen, wie die WKStA auf Anfrage erklärt. Dabei geht es um Untreuevorwürfe im Zusammenhang mit einem türkischen Staudammprojekt und mit einer Kreditvergabe.

Dem Verfahren haben sich 640 Geschädigte als Privatbeteiligte bzw. Opfer angeschlossen – die rund 1260 Leute, die bei der "Sammelklage" der Arbeiterkammer dabei sind, sind dabei noch gar nicht eingerechnet. Sie könnten nun Fortsetzungsanträge stellen. Die Einstellung ist somit noch nicht rechtskräftig, doch geht der Vertreter eines Ex-Geschäftsführers der Alpine, Christopher Schrank, davon aus, dass allfällige Anträge nicht durchgehen. Er führt die Einstellung maßgeblich auf ein Gutachten zurück, das der Geschäftsführung kein Fehlverhalten attestiert habe. (Renate Graber, Andreas Schnauder, 25.5.2018)